- Julian Bank und Sven Giegold
Rot-Grün-Rot auf kommunaler Ebene
Auch wenn es beim Zusammengehen von Rot-Rot-Grün auf landes- oder gar bundespolitischer Ebene vielleicht noch hapert – auf kommunaler Ebene findet eine Zusammenarbeit zwischen den drei Parteien bereits mancherorts statt. Wo, und wie genau, versuchen wir auf diesen Seiten aufzuzeigen. Wir freuen uns über weitere Hinweise.
Was sind die Erfolgsbedingungen für die Grün-Rot-Rote Zusammenarbeit? Zunächst sei bemerkt, dass Kommunalpolitik unter verschiedenen Kommunalverfassungen sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Unter den Bedingungen wechselnder Mehrheiten kommt eine formelle Kooperationsvereinbarung kaum infrage. Dennoch spielen auch hier Faktoren eine Rolle, die gemeinsame Politik im Sinne einer "Solidarischen Moderne" begünstigen. Denn die inhaltlichen Schnittmengen sind leider allzu oft nicht die allein ausschlaggebenden Faktoren. Im Folgenden einige Beobachtungen.
- Alle Beteiligten müssen in der Lage sein, die gemeinsame Politik auch als eigenen Erfolg verbuchen zu können. Manches Mal ist zwar ein Akteur mit bestimmten Projekten politisch einverstanden, wird durch sein Profil von den WählerInnen für diese Politik jedoch nicht belohnt. Aus dem Grund ist es für den Erfolg eines Bündnisses nötig, dass im Ergebnis die Handschrift aller Bündnispartner erkennbar wird. Die Zusammenarbeit braucht also zu einem gewissen Maß Zugeständnisse auch unabhängig von Wählerstimmengewicht oder Verhandlungsposition. Wenn dies am Ende eine Kooperation ermöglicht und damit die politischen Ziele aller Beteiligten unter den Mehrheitsverhältnissen bestmöglich umgesetzt werden können, ist dies auch im Sinne aller. Perspektivwechsel machts!
- Ohne Vertrauen ist eine gemeinsame Politik kaum möglich. Vielerorts ist der scheinbar banale Grund, warum Rot-Grün-Rot nicht zustande kommt, dass es zwischen den einzelnen Personen knirscht. Vertrauen für gemeinsame Gestaltung lässt sich nicht durch Schwamm-Drüber und Wegwischen von Gründen für Vorbehalte schaffen. Ein achtsamer Umgang auf Augenhöhe ist zweifelsfrei notwendig. Häufig aber hilft bereits, überhaupt miteinander zu reden. Aus Erfahrungen im Institut Solidarische Moderne wissen wir, dass ein Gespräch an einem Tisch, möglichst an einem neutralen Ort und moderiert von einer unbefangenen Person, Wunder wirken kann.
- Die finanziell desaströse Situation der Kommunen verhindert, dass politische Gestaltung überhaupt möglich ist. Vielerorts findet gar keine gestaltende Politik sondern Mangelverwaltung statt. Wo keine Verteilungsmasse vorhanden ist, beschränkt sich sozial-ökologische "Gestaltung" auf das möglichst smarte Kürzen oder gar eine Verweigerung der haushaltspolitischen Realität. Die zentrale Konfliktlinie innerhalb des Grün-Rot-Roten Lagers in der Kommunalpolitik ist daher in den allermeisten Fällen der Umgang mit Kürzungen. Das untergräbt nicht nur eine Perspektive im Sinne einer Solidarischen Moderne, sondern am Ende auch die Demokratie. Hier ist also ein Handeln auf bundespolitischer Ebene dringend erforderlich.
In Saarbrücken gibt es seit 2009 eine Koalition zwischen SPD, Grünen und Die Linke. Im Koalitionsvertrag haben sich die Parteien unter anderem auf die Einführung eines Sozialpasses für Arbeitslose und Geringverdiener, den Ausschluss weiterer Privatisierungen, sowie die schrittweise Einführung eines kostenlosen Mittagessens für alle SchülerInnen an Ganztagsschulen verständigt. Auch ambitionierte umweltpolitische Ziele wie eine Verkehrswende durch Förderung von öffentlichem Nahverkehr und Fuß- und Radverkehr stehen im Programm. (PDF der Kooperationsvereinbarung)
In Lübeck stimmen die drei Parteien bereits länger gemeinsam ab, haben nun jedoch einen Koalitionsvertrag vereinbart, um die Zusammenarbeit verlässlicher zu gestalten. Nach längerem hin und her ist der Vertrag nun seit Januar 2011 unterzeichnet. Ziele der Vereinbarung sind eine sozial-ökologische Stadtpolitik und eine Stärkung von Bürgerbeteiligung, die unter den Bedingungen der prekären Haushaltslage einen Schwerpunkt auf Bildungs- und Sozialpolitik legt. Strittig bleibt aus Grüner Sicht die Frage des Grünstrandes in Travemünde. (PDF der Kooperationsvereinbarung)
In Duisburg stimmen VertreterInnen ohne feste Vereinbarung bereits regelmäßig zusammen ab und haben den Haushalt 2010 gemeinsam beschlossen. Eine Kooperationsvereinbarung ist angestrebt – und könnte im ersten Halbjahr 2011 zustande kommen.
In Köln gab es bis zu den Kommunalwahlen 2009 eine rot-grün-rote Mehrheit, die ohne formelle Vereinbarung regelmäßig gemeinsam abstimmte, z.B. für eine Ausweitung des Sozialtickets. Seit 2009 haben sich die Mehrheitsverhältnisse zugunsten von Rot-Grün verschoben.
In Verden (Aller) haben SPD, Grüne und Die Linke nach einem Scheitern eines großkoalitionären Haushalts einen gemeinsamen Haushalt für 2010 beschlossen und stimmen seitdem ohne weitere schriftliche Vereinbarung in den meisten Fragen gemeinsam ab. Unter den Bedingungen einer verhältnismäßig entspannten Haushaltslage konnten alle drei Akteure Steckenpferde unterbringen, die Grünen im Bereich Energiepolitik beim stadteigenen Energieversorger, die SPD im Bildungsbereich und die Linke mit einem Sozialticket.
Lediglich punktuelle Zusammenarbeit gab es beispielsweise in Dresden und Leipzig, u.a. bei Beschlüssen zu Sozialtickets. Auch in Mannheim stimmen die drei Parteien unter den knappen Mehrheitsverhältnissen immer wieder gemeinsam für bestimmte politische Projekte.
Im Landkreis Demmin in Mecklenburg Vorpommern hat ein Bündnis der drei Parteien die Teilprivatisierung eines Krankenhauses verhindert. Hier haben sich Grüne und Linke zu einer Fraktion zusammengeschlossen.